Diesen Platzhalter für meinen ersten Beitrag lasse ich einfach mal so stehen, denn ich würde mich freuen, wenn meine in diesem Blog gesammelten Gedanken möglichst viele da draußen erreichen. Worüber ich mir hier Gedanken mache?
Ich werde hier alles sammeln, was mich rund um das Thema Bildung beschäftigt. Ich bin selbst Lehrerin. Nicht erst seit Corona, aber doch seitdem verstärkt, mache ich mir Gedanken, wie Schule sich verändern muss. Ausgangspunkt war die Erkenntnis im ersten Lockdown, dass wir unsere Schülerinnen und Schüler im Schulalltag eigentlich so gut wie gar nicht zum selbständigen und selbstorganisierten Arbeiten anleiten. Wie sollten sie dies also von heute auf morgen plötzlich können?
Seitdem lese ich viel zum Thema Bildung in den sozialen Medien, habe Podcasts zum Thema für mich als eine Möglichkeit entdeckt, neue Impulse für meine Arbeit zu erhalten und versuche Schritt für Schritt bei meiner Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen neue Wege zu gehen.
In diesem Blog möchte ich euch mitnehmen in meine Überlegungen zum Thema Bildung und zeigen, wie diese sich auf meinen Arbeitsalltag auswirken.
Ich bin gespannt, was sich hier entwickeln wird und freue mich, wenn ihr ab und zu hier vorbeischaut, um verfolgen zu können, womit sich die Seite füllen wird!
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Vor ca. zwei Wochen gab es eine Meldung in den Medien, die mich nachhaltig beschäftigt. Worum geht es? 40 Forscher rund um die Gesellschaft für Bildung und Wissen fordern ein Moratorium der Digitalisierung an Schulen und Kitas. Sie wollen einen Stopp der Digitalisierung in den Bildungseinrichtungen, insbesondere bis zur 6. Klasse, da es wissenschaftliche Hinweise darauf gebe, dass diese Nachteile und Schäden für den Entwicklungs- und Bildungsprozess der Kinder und Jugendlichen hätte (unter anderem hier könnt ihr einen entsprechenden Artikel zum Thema finden). Und prompt wurde in unserem Lehrerzimmer am Schwarzen Brett eine entsprechende Meldung ausgehängt mit der von Weitem gut zu lesenden Überschrift „Wissenschaftler: Tablets und Laptops machen Schüler dümmer“ (Link zum entsprechenden Artikel).
Mich machen solche Überschriften tatsächlich wütend, weil sie aus meiner Sicht zu einseitig und populistisch sind. Denn so einfach ist es eben nicht. Solche plakativen Aussagen sind Wasser auf die Mühlen derer, die die Digitalisierung am liebsten wieder ganz aus den Schulen verbannen wollen. Versteht mich bitte nicht falsch: Ich sehe natürlich, dass die Digitalisierung auch ihre Schattenseiten hat und dass es komplett falsch wäre, in ihr das Allheilmittel für eine gute Bildung zu sehen. Und natürlich sehe ich auch die Herausforderungen, mit denen wir tagtäglich in diesem Bereich konfrontiert werden. Ich nehme es auch sehr ernst, wenn Kolleg*innen zu mir sagen, dass sie die Digitalisierung als Belastung empfinden, da sie mittlerweile täglich eine Stunde und mehr alleine nur mit der Beantwortung von Mails beschäftigt sind. Ich bin auch nicht dafür, Kinder im Vorschul- und Grundschulalter alleine nur mit digitalen Medien lernen zu lassen. Aber ich sehe auch die Chancen. Es gibt so viele aus meiner Sicht wirklich gute digitale Hilfsmittel, die uns helfen können, den Lernprozess individueller zu gestalten, die uns Lehrkräften bei der Organisation unseres Unterrichtsalltags helfen, kurz: die unterstützend eingesetzt werden können. Gerade in dieser Woche habe ich den zweiten Teil einer Fortbildung zu ChatGPT im Unterrichtsalltag sowie eine Fortbildung zu einem Diagnosetool besucht, in der noch einmal sehr deutlich wurde, wie unterstützend die Digitalisierung sein kann und wie gut sie auch zu einer Professionalisierung beitragen kann. Gerade in der Fortbildung zur KI wurde aber auch mehr als klar, dass diese Anwendungen nur dann gute Ergebnisse erzielen, wenn wir genau wissen, was wir tun und wollen. Gerade ChatGPT zeigt meines Erachtens, dass es super wichtig ist, sprachliche gute und nuancierte Prompts zu verfassen, damit die KI ein gutes Ergebnis generiert. Lassen sich darin nicht auch Chancen sehen, die Bedeutung von Sprache noch einmal genauer zu verdeutlichen? Kann das nicht vielleicht auch ein neuer Weg sein, wie wir die Sprachkompetenz unserer Schüler*innen verbessern können?
Nur auf die Digitalisierung zu schimpfen und ihr vorzuwerfen, dass wir alle durch sie dümmer würden, greift zu kurz. Ja, wir müssen gut und sensibel mit den neuen Möglichkeiten umgehen, aber dann kann die Digitalisierung auch in der Arbeit mit jüngeren Kindern viele Möglichkeiten bieten. Und gleichzeitig heißt das nicht, das bisherige Lehr- und Lernmethoden komplett in der Schublade verschwinden müssen. Warum kann diese Diskussion nicht genauer und differenzierter sein und ein Nebeneinander von verschiedenen, gleichwertig zu betrachtenden Wegen, die zum Ziel führen können, zulassen? Überschriften wie „Tablets und Laptops machen die Kinder dümmer“ tragen auf jeden Fall nicht zu einer sachlichen Diskussion bei. Glücklicherweise gibt es in den Medien dann aber doch auch noch andere Sichtweisen, wie zum Beispiel in diesem Kommentar bei SWR Wissen, den ich dann Anfang dieser Woche neben den Artikel ans Schwarze Brett gehängt habe.
Wie ist eure Meinung zum Thema? Schreibt es doch gerne in die Kommentare!
Ja, es gibt mich noch. In den letzten Wochen habe ich mir immer wieder vorgenommen: Morgen, ja morgen schreibst du endlich mal wieder etwas für den Blog – genügend Gedanken rund um das Thema Bildung und Schule, die es wert sind, sie hier zu teilen hat es auf jeden Fall gegeben (und gibt es immer noch).
Warum ich dann nichts geschrieben habe? Der Schulalltag hatte mich seit dem letzten Drittel der Sommerferien voll in seinen Griff genommen. Die Einführung eines digitalen Klassenbuchs an meiner Schule, die ich zusammen mit einer Kollegin begleite, hat in den letzten Ferien- und den ersten Schulwochen dafür gesorgt, dass kaum Luft für blieb. Obwohl wir alles bereits im vergangenen Schuljahr gut vorbereitet hatten, hat der reale Praxistest dann doch einige technische Schwierigkeiten offenbart. In dieser Zeit habe ich eine Menge gelernt, nicht nur auf der technischen Ebene, sondern auch über mich und meinen Umgang mit solchen, zum Teil schwierigen, Situationen.
Tja, und neben all diesen außerunterrichtlichen Herausforderungen gibt es dann ja auch noch den Unterricht und meinen Anspruch diesen offener und individueller zu gestalten. Ihr konntet ja im Sommer hier lesen, dass ich, inspiriert vom Churer Modell, meine Unterrichtsstruktur verändern will. Nach einer kurzen anfänglichen Skepsis bei den Schüler*innen machte es dann relativ schnell den Anschein, dass sie mit der neuen Struktur, die sie mehr in die Verantwortung für ihren eigenen Arbeitsprozess nimmt, gut klar kommen. Und für die Schüler*innen in meinem Leistungskurs ist das auch (so glaube ich) immer noch so. In der Sekundarstufe gab es nun aber gerade in den vergangenen zwei Wochen sehr viel Redebedarf. Kurz gesagt: Die Schüler*innen wünschen sich mehr gemeinsame frontale Phasen. Diese Instruktionsphasen, wie sie in den offeneren Lernsettings gerne genannt werden, gibt es aber durchaus nach wie vor bei mir und ich konnte mir deshalb erst nicht so richtig erklären, was meinen Schüler*innen genau fehlte. Mittlerweile vermute ich, dass es eine Mischung aus Unsicherheit und Bequemlichkeit ist. Auf die Unsicherheit kann ich versuchen einzugehen, indem ich versuche noch mehr Hilfsangebote und Kontrollmöglichkeiten während des Lernprozesses zu schaffen. Die gab es zwar vorher auch, aber wahrscheinlich müssen sie noch verstärkt werden und vor allem müssen die Schüler*innen noch lernen, dass sie diese auch aktiv nutzen müssen. Und damit bin ich auch beim Aspekt der „Bequemlichkeit“: Wenn ich ein interaktives Arbeitsblatt gestalte, auf dem ich gestufte Lernhilfen zur Verfügung stelle (die Anwendung qr-lernhilfen.de nutze ich hierfür gerne) und die Schüler*innen auch die Möglichkeit erhalten, ihre Ergebnisse mit einer Musterlösung abzugleichen, sie aber auf Nachfrage eingestehen, dass sie weder das eine noch das andere angeklickt haben, gleichzeitig aber unsicher sind, ob ihr geschriebener Text den Anforderungen entspreche, dann stelle ich mir schon die Frage nach der Erwartungshaltung unserer Schüler*innen. Das ist ein Thema, das mich gerade sehr beschäftigt neben der Tatsache, dass ich nach einigen Wochen mit offeneren Unterrichtssettings feststelle, dass wir zum Teil sehr viel mehr Zeit für ein Thema benötigen. Das liegt einerseits wahrscheinlich daran, dass sowohl die Schüler*innen als auch ich das Arbeiten in diesen veränderten Rahmenbedingungen noch lernen, andererseits zeigt es aber wahrscheinlich auch, dass es das ist, was unsere Schüler*innen brauchen: Zeit, um ein Thema wirklich begreifen, verstehen und durchdringen zu können. Zeit ist nur leider mit überfrachteten Lehrplänen, überholten Prüfungsformaten und einem bei uns in diesem Jahr noch dazu extrem kurzen Halbjahr etwas, von dem es immer zu wenig gibt.
Damit schließt sich dann auch der Kreis zur Frage, warum es hier in den vergangenen Wochen so ruhig war: Mir fehlte die Zeit. Aber, auch wenn Vorsätze normalerweise immer erst am 31.12. formuliert werden, nehme ich mir bereits schon jetzt etwas vor: Ich nehme mir einfach zukünftig die Zeit, um euch wieder mehr in mein Lehrerinnenleben mitzunehmen. Denn eine Sache gab es, die mich letzte Woche richtig gefreut hat: ein Nachricht bei Social Media, die mir gezeigt hat, dass meine Gedanken hier nicht in den Tiefen des World Wide Webs verschwinden, sondern tatsächlich gelesen werden. Danke dafür!
So langsam beginnt der Countdown für den Start in das neue Schuljahr. Damit entsteht bei mir immer eine ganz komische Stimmung:
Einerseits bin ich wehmütig, weil die Zeit, in der man frei und ohne Druck jeden Tag gestalten kann bald vorbei ist. Außerdem heißt das Ende der Sommerferien, dass bald dann auch das warme Wetter dem Herbst weichen wird…
Andererseits freue ich mich auch. Ich freue mich, liebe Kolleginnen und Kollegen wiedersehen zu können. Ich freue mich auf meine SchülerInnen und ich freue mich auch ein bisschen auf einen geregelteren und strukturierteren Tagesablauf.
In den Ferien habe ich mir ja viel darüber nachgedacht, wie ich im kommenden Schuljahr gerne arbeiten möchte, was mir wichtig ist und wo ich Schwerpunkte setzten möchte. Und nun habe ich so viele Ideen und Impulse im Kopf, dass es mir gerade total schwerfällt, in die konkrete Planung zu starten. Deshalb habe ich jetzt erst einmal ganz klein damit angefangen die Grobplanung für meine Lerngruppen anzugehen. Welche Themen will ich behandeln? Auf welches Material kann ich dabei zurückgreifen? Wie viel Zeit steht mir überhaupt zur Verfügung? Für die nächsten Tage bereite ich dann erst einmal die Klassenleiterstunden für den ersten Schultag vor. Danach werde ich versuchen für ein bis zwei Lerngruppen, die jeweils erste Lerneinheit etwas genauer zu planen. Außerdem geht es am Anfang der kommenden Woche in die Schule. Ich will unbedingt meine Ideen zur Umsetzung des Churer Modells in meinem Klassenraum ausprobieren und bei der Gelegenheit werde ich noch so einige Aufgaben aus der Digitalkoordination abarbeiten. Aber auch darauf freue ich mich. Wenn das Schulhaus noch so leer ist, fällt mir der Start leichter und die Gedanken im Kopf lassen sich noch besser sortieren – hoffentlich 😉.
In den vergangenen Tagen habe ich, angestoßen durch einige Post bei Social Media, darüber nachgedacht, wie realistisch es ist, dass sich im Bildungssystem in naher Zukunft tatsächlich grundlegende Dinge verändern. So viele Menschen investieren ganz viel Kompetenz, Kreativität und Kraft, um auf die vielen Missstände hinzuweisen und Veränderungen einzufordern. Auch ich merke immer mehr den Impuls, mich zu engagieren und bildungsaktivistisch tätig zu werden.
Gleichzeitig stellt sich mir dabei natürlich die Frage, ob die Zeit, die Ideen, die Kraft, die ich dafür investiere, es tatsächlich wert sind? Wird sich etwas ändern? Wenn ich Interviews mit BildungspolitikerInnen lese oder sehe, dann kommen mir doch große Zweifel. Die ewig selben Floskeln a lá „Wir wissen dass unsere Lehrerinnen und Lehrer großartige Arbeit leisten“, „Wir danken den Kolleginnen und Kollegen für ihr Engagement“ , „Die Lehrerinnen und Lehrer sind kompetent geschult und ausgebildet, um die Herausforderungen meistern zu können“, „Wir haben in unserem Bundesland keinen Lehrermangel, alle Stellen konnten zum Schuljahresbeginn besetzt werden“ und so weiter.
Und dann der Blick in die Realität: Marode Schulgebäude, wachsende Verwaltungsaufgaben, hoher Vertretungsbedarf, Kürzungen in den Stundentafeln und immer größere Klassen. Viele KollegInnen und Schulleitungen gehen auf dem Zahnfleisch und werden im schlimmsten Fall sogar krank. Auf diese Situation treffen dann Aussagen von Bildungswissenschaftlern, die bei der Suche nach Maßnahmen gegen den LehrerInnenmangel so tolle Ideen wie zum Beispiel die Einschränkung der Teilzeitmöglichkeiten mit gleichzeitigen Yogakursen am Nachmittag vorschlagen oder zwar anerkennen, dass der Stress der Lehrkräfte verringert werden müsse, dies aber besser durch Stressbewältigungstrainings gelingen könne, als wenn man die Klassenmesszahlen herabsetzen würde.
Da verwundert es mich dann eben auch nicht mehr, wenn ich bei Social Media von einer Kollegin lese, dass sie bei einer Klassenstärke von 37 (ja, genau diese Zahl nannte sie!) völlig mutlos sei. Sie reagierte damit auf einen Kommentar von mir, in dem ich einen für mich zentralen Grundgedanken erläuterte: Wir bestimmen das System, nicht umgekehrt. Ich kann den Schulalltag für mich und meine SchülerInnen so gestalten, dass unsere Bedürfnisse nicht untergehen. Dabei mache ich vielleicht auch unkonventionelle Dinge.
Aber bei Klassenstärken von 30 und mehr SchülerInnen ist es natürlich nicht einfach bis unmöglich die Bedürfnisse aller im Blick zu behalten und ich kann sehr gut verstehen, dass unter diesen Bedingungen KollegInnen resignieren und einfach nur noch versuchen, selbst einigermaßen gesund durch das Schuljahr zu kommen. Wenn das aber vermehrt passiert, ist Schule bald tot. Und deshalb frage ich mich, wie ich einen guten Weg zwischen Aktivismus und Alltag finden kann:
Die Frage ist, welche Schwerpunkte ich setze. Geht es mir in erster Linie darum, dem Lehrplan gerecht zu werden und auf Teufel komm raus alle Inhalte in rasender Geschwindigkeit durchzuziehen? Ehrlich gesagt spielen die Lehrpläne mittlerweile für mich eine absolut untergeordnete Rolle, was natürlich nicht heißt, dass ich sie völlig außer Acht lasse. Aber, wenn ich will, dass meine SchülerInnen zumindest die Chance haben, wirklich etwas zu lernen, dann braucht es in aller erster Linie Ruhe, Zeit und und eine gute Beziehung. Deshalb habe ich auch kein schlechte Gewissen (mehr), wenn regelmäßig in meinen Fachstunden auch Gespräche oder Dinge stattfinden, die erst einmal nichts mit der momentanen Reihe zu tun haben. Denn was bringt es mir, den SchülerInnen die Funktionsweise der römischen Verfassung zu erklären, wenn sie eigentlich gerade mit ihren Sorgen um die nächste Deutsch-, Mathe- oder Englischarbeit beschäftigt sind?
Für mich sieht der Weg zwischen Aktivismus und Alltag also so aus:
Ich werde weiterhin auf die Missstände im Bildungssystem aufmerksam machen. Gleichzeitig versuche ich im Alltag diese Missstände für meine SchülerInnen, meine KollegInnen und mich so wenig wie möglich zur Belastung werden zu lassen. Und wenn dabei manche vermeintlichen Vorgaben dann eben nicht umgesetzt werden können, dann ist das so. Ich muss nicht über jedes Stöckchen springen, das mir hingehalten wird und kann auf die Sinnlosigkeit dieser Stöckchen an entsprechender Stelle auch aufmerksam machen.
Seitdem ich mich etwas mehr auf Instagram herumtreibe und dort in den letzten Wochen nicht nur den einen oder anderen Beitrag veröffentlicht, sondern auch sehr viel auf anderen Bildungsprofilen gestöbert habe, bekommen ich viele Inspirationen für mein Vorhaben, meinen Unterricht zu öffnen und den Schülerinnen und Schülern andere Wege des Lernens zu bieten.
Bereits in den vergangenen beiden Schuljahren habe ich mit Wochenplänen und Ansätzen von Projektarbeit versucht meinen Unterricht anders zu gestalten. Ich habe dabei viele positive Erfahrungen gesammelt, habe aber auch immer wieder gemerkt, wie wenig unsere Lernenden es gewohnt sind, selbstorganisiert bzw. eigenverantwortlich zu arbeiten. Und dennoch möchte ich weiter am Ball bleiben, auch weil ich weiß, dass sich eine Haltung (sowohl die der Lernenden als auch die der Lehrenden) nicht von heute auf morgen verändern lässt.
Und nun bin ich bei Social Media auf das Churer Modell gestoßen. Irgendwann hatte ich darüber schon mal etwas gelesen, aber in den vergangenen Wochen tauchten dann in meiner Timeline immer wieder Beiträge dazu auf (KI lässt grüßen) und ich begann mich etwas genauer mit den Aspekten dieses Modells zu beschäftigen.
Vorab sei gesagt: Ich muss mich sicherlich noch sehr viel tiefer und genauer in die Theorie einarbeiten, aber ein paar grundlegende Dinge haben mich so neugierig gemacht, dass ich nun verstärkt überlege, wie ich diese in meinem Unterricht ausprobieren kann. Dabei fokussiere ich mich momentan auf den ersten Schritt:
Die Umgestaltung des Klassenzimmers.
Das Churer Modell sieht hierbei vor allen Dingen vor, die Frontalsituation aufzulösen sowie verschiedene Arbeitsbereiche und mehr Verkehrsfläche im Klassenraum zu schaffen. Wenn ich auf Instgram so manche Klassenräume (vor allem aus den Grundschulen) sehe, werde ich schon sehr neidisch. Das sind Räume, in denen sich alle wohlfühlen können. Ich kenne vor allem kahle, unpersönliche, dunkle und kalte Räume, in denen sich keiner gerne länger aufhält. Ein Umstand, der keine wirklich gute Grundlage für das Lernen ist.
Also drehten sich meine Gedanken in den vergangenen Tagen immer öfter um die Frage, wie ich (mit möglichst wenigen Mitteln) den Raum meiner eigenen Klasse so gestalten kann, dass er in Ansätzen dann eben doch als guter dritter Pädagoge fungieren kann.
Das große Problem dabei: Ich arbeite an einer weiterführenden Schule und habe eben nicht hauptsächlich nur eine Klasse, die ich den ganzen Tag begleite. Wir haben leider bei uns an der Schule auch kein Doppelstundenprinzip, so dass ich weitgehend im 45-Minuten-Rhythmus arbeiten muss, ein Zustand, der mir schon seit Längerem missfällt.
Eigentlich könnte man nun meine, dass es unter diesen Umständen nicht möglich ist, den Raum umzugestalten und Aspekte des Churer Modells umzusetzen.
Und dennoch konnte ich von dem Gedanken nicht lassen. Entweder müsste ich also alle meine Kolleginnen und Kollegen, die in meiner Klasse unterrichten, vom Modell überzeugen oder ich könnte erst einmal im Kleinen anfangen und mir eine Strategie überlegen, wie ich die Öffnung (und Differenzierung) erst einmal nur in meinen Stunden (immerhin sechs in der Woche in meiner eigenen Klasse) umsetzen kann. Wenn ich gemeinsam mit meinen Schülerinnen und Schülern dann erste Erfahrungen gesammelt habe, kann ich schauen, ob sich der eine oder andere Kollege vielleicht anschließen möchte.
Und nun bin ich also dabei, eine solche Strategie auf die Beine zu stellen.
Die Idee
Vorarbeit
Da das Umstellen der Möbel im Klassenraum an vielen Stellen im Churer Modell als erster Schritt genannt wird, habe ich mir überlegt, wie ich (im Zweifel auch in einer einzelnen 45-Minuten-Stunde) dieses Umstellen vornehmen kann.
Ich überlege mir nun, wie ich die Tische umstellen möchte. Dies geschieht zunächst mit der Prämisse, dass ich dies nur in meinen Fachstunden in meiner Klasse tun will. Das heißt also, dass ich beim meinen Überlegungen immer im Hinterkopf habe, dass das Umstellen möglichst einfach gehen sollte.
Hier seht ihr die bisherige Anordnung der Tische
Und das ist meine momentane Idee für eine neue Anordnung
Nachdem ich mir eine mögliche Tischanordnung überlegt habe, die auch Platz für einen Sitzkreis lässt, werden ein paar Utensilien bestellt, mit denen ich die unterschiedlichen Arbeitsplätze noch etwas genauer definieren kann. Ichentscheide mich letztlich für folgende Dinge:
Sitzgelegenheiten für den Kreis: hierbei spielt vor allem eine Rolle, dass ich diese relativ leicht transportieren kann, denn ich kann sie nicht im Klassneraum lassen, da hier auch oft andere Lerngruppen sind und die Gefahr, dass Dinge Füße bekommen leider vorhanden ist. Ich entscheide mich letztlich zwei Möglichkeiten zur Auswahl zu bestellen: a) eine Sitzunterlage, die eigentlich für den Outdoor-Bereich gedacht ist. (Ich hoffe, dass diese ein wenig die Kälte vom Boden abhält. b) ein faltbarer Hocker, ebenfalls eigentlich aus dem Outdoor-Bereich. Beide wäre einigermaßen bezahlbar. Mal schauen, wofür ich mich letztlich entscheide. Beides ist zur Ansicht bestellt.
ein großes rechteckiges Tuch, mit dem ich die Atmosphäre im Sitzkreis hoffentlich etwas schöner gestalten kann.
Sichtschutz für die Arbeitsbereiche
Mögliche Umsetzung
Am ersten Schultag werde ich mit meiner Klasse in den Klassenleiterstunden meine Idee besprechen und hoffentlich folgende Absprachen treffen können:
Immer, wenn sie bei mir Unterricht haben, sollen sie, soweit das möglich ist, bereits in der Fünfminutenpause damit beginnen, die Tische umzustellen. Hierfür werde ich die Tische mit Nummern beschriften (siehe Bilder oben) und einen Plan im Klassenzimmer aushängen, auf dem die Schülerinnnen und Schüler zu jeder Zeit nachschauen können, an welche Stelle ihr Tisch kommt. Ich habe den Plan hoffentlich so gestaltet, dass das Räumen mit ein bisschen Übung und Routine relativ schnell geschehen kann. Ich werde dann zu jeder Stunde in einer großen Tasche die Utensilien mitbringen und sie vor Beginn der Stunde (eventuell mit der Unterstützung einzelner Schülerinnen und Schüler) „aufbauen“. Meine Hoffnung ist, dass sich hier nach einiger Zeit Routinen einspielen und das Umräumen so schnell klappt, dass es sich auch für eine Einzelstunde lohnt. Trotzdem werde ich aber auch die Bitte an die Planer des Stundenplans richten, mein Klasse in möglichst vielen Doppelstunden unterrichten zu können.
Jede Stunde soll dann im Sitzkreis beginnen. Je nachdem, wo wir gerade im Thema stehen wird dieses Kreis unterschiedlich inhaltliche und auch zeitlich gealterte werden. Ich nehme mir aber vor, dass bei einer Einzelstunde, die Sitzkreisphase maximal 10 Minuten, bei einer Doppelstunde maximal 15 Minuten dauern soll. Hier kann dann der Einstieg in ein Thema erfolgen, Vergangenes kann reflektiert werden und vor allem wird immer besprochen, welche Aufgaben für die jeweilige Stunde anstehen. Langfristig gesehen sollen die Schülerinnen und Schüler lernen, dass im großen Kreis auch wirklich nur die Dinge besprochen werden, die für alle wichtig sind, für individuelle Fragen, Probleme etc. soll dann im weiteren Stundenverlauf Raum sein.
Nach dem Sitzkreis entscheiden sich die Schülerinnen und Schüler, wie und wo sie arbeiten wollen. Hier muss ich mich noch etwas einlesen, wie man es schafft, dass hierbei nicht alleine die Sympathie den Ausschlag gibt, sondern die Schülerinnen und Schüler lernen, zu entscheiden, ob sie für eine Aufgabe alleine oder mit Mitschülerinnen arbeiten sollten. Bei der Zusammenarbeit sollte eine Rolle spielen, mit welchem Ziel die Zusammenarbeit geschieht. Will man mit den Mitlernenden Fragen klären? Kann ein Mitschüler/eine Mitschülerin mir eine Thematik vielleicht erklären? Suche ich mir Unterstützung, um Einzelaufgaben aufzuteilen? …
Am Ende müssen ca. 3 Minuten reserviert sein, um die Klassenraumsituation für die darauffolgenden Stunde wieder vorzubereiten. Im besten Falle werde ich aber hoffentlich mit dem Modell so gute Erfahrungen machen, dass ich nach und nach weitere Kolleginnen und Kollegen davon überzeugen kann, so dass vielleicht im Laufe des kommenden Schuljahres, die Umräumsituationen immer weniger werden.
In der letzten Ferienwoche werde ich im Klassenraum einmal ohne Schülerinnen und Schüler alles ausprobieren und schauen, ob meine Vorstellungen in der Realität funktionieren könnten. Gerne nehme ich euch mit und werde von der ersten Umstellaktion sowie von den ersten Erfahrungen im Alltagsbetrieb berichten.
Und wie so oft habe ich erst beim dritten oder vierten Mal genauer auf en Text geachtet und dann festgestellt, wie gut dieser Text eigentlich zu meiner momentanen Stimmung passt. Zwei Zeilen bringen mich dabei besonders zum Nachdenken:
Du sitzt im Hamsterrad, komm steig aus und lass es steh’n
Mein Schulalltag fühlte sich in den vergangenen Monaten immer öfter wie ein Hamsterrad an, das sich immer schneller dreht. Ich merke, wie ich immer mehr nach Möglichkeiten suche, aus diesem Hamsterrad auszusteigen oder es zumindest langsamer laufen zu lassen, ohne dabei meinen Beruf als Lehrerin völlig in Frage zu stellen. Ich will als Lehrerin arbeiten, aber ich merke immer mehr, dass ich nicht bereit bin, dies unter den momentanen Bedingungen zu tun. Also suche ich verstärkt nach Möglichkeiten, diese Bedingungen soweit wie möglich zu verändern.
Veränderung heißt Risiko, schiefgeh’n kann es sowieso, okay?
Ich denke viel darüber nach, wie ich meinen Unterricht grundsätzlich so verändern kann, dass er die Schülerinnen und Schüler wieder mehr erreicht, dass er dazu beiträgt, dass sie sich entwicklen können, dass sie lernen. Eigenständig zu arbeiten, dass sie Freude am Lernen entwickeln können. Viele Ideen und Inspirationen bekomme ich über die sozialen Medien, in denen viele tolle Kolleginnen und Kollegen, die sich bereits auf den Weg gemacht haben, über ihre Arbeit berichten. Ich merke, wie voll mein Kopf ist mit Ideen. ich merke aber auch gleichzeitig, dass mich immer noch irgendetwas hemmt, wirklich größere Veränderungen anzugehen. Ein Beispiel ist die Sitzordnung in meiner Klasse. Ich würde so gerne mal etwas ganz Neues machen und Anregungen und Ideen aus dem Churer Modell umsetzen. Sofort kommen aber die Bedenken: Was werden die Kolleginnen und Kollegen sagen? Wie werden die Schülerinnen und Schüler darauf reagieren? Könnten Eltern sich vielleicht beschweren?
Ein weiteres Beispiel ist das Modell des Flipped Classroom, über das ich mich auf jeden Fall in diese Ferien noch etwas genauer informieren will. Aber auch hier kommen neben der Euphorie auch sofort wieder Bedenken: Was wenn die Schülerinnen und Schüler die Erklärvideos zuhause nicht anschauen? Kann ich meinen Unterricht, den ich über Jahre hinweg nach dem selben Schema strukturiert habe, überhaupt so umbauen, dass das Konzept funktionieren kann?
Aber dann denke ich auch wieder: Veränderung heißt Risiko, schiefgeh’n kann es sowieso, okay? – Was genau kann eigentlich im schlimmsten Fall passieren? Der Momentane Zustand ist einfach nicht gut. Im jetzigen System geht viel zu viel schief. Also, warum, nicht wirklich etwas Neues ausprobieren und etwas verändern? Das Risiko ist doch eigentlich überschaubar.
In den Ferien merkt man, wie gut und wichtig es ist, Pausen zu machen, den Kopf frei zu bekommen.
Ich frage mich:
Warum warten wir dafür immer auf die Ferien? Warum machen wir nicht auch im Schulalltag mehrere kleine Pausen?
Pausen bieten die Möglichkeit, einmal durchzuatmen, um dann mit etwas Ruhe Vergangenes zu reflektieren und darauf aufbauend nächste Schritte zu planen. Das brauchen wir Lehrerinnen und Lehrer, aber auch unsere Schülerinnen und Schüler.
Deshalb nehme ich mir Folgendes für das neue Schuljahr vor:
In jeder Lerngruppe möchte ich im Unterricht bewusst und regelmäßig Pausen einbauen, in denen die Lernenden für eine bestimmte Zeit mal etwas ganz anderes machen. Je nach Klassenstufe kann diese Pause unterschiedlich gestaltet werden. Denkbar sind hier Bewegungsspiele, Musik hören, Fantasiereise, einen kleinen gemeinsamen Spaziergang machen etc. Danach schauen wir entweder gemeinsam in der großen Gruppe oder individuell, wo wir im Thema stehen, was schon erreicht wurde und was noch erarbeitet werden muss.
Auch für mich als Lehrkraft sind das dann Pausen, in denen ich durchatmen und meine Schülerinnen und Schüler auch mal anders erleben kann.
Ich möchte nicht mehr durch einen Lehrplan, durch das Schuljahr, die Wochen und Tage hetzen.
Wie sieht das bei euch aus? Legt ihr auch bewusst Pausen im Schulalltag für euch und eure Schülerinnen und Schüler ein? Welche Erfahrungen und Tipps habt ihr dazu?
Noch sind hier ja Ferien, aber sobald das neue Schuljahr begonnen hat und ich erste Erfahrungen mit meinem Vorhaben gesammelt habe, werde ich euch hier berichten.
Die Folge „Mit unserer Haltung fängt es an“ öffnet mir gerade viele neue Sichtweisen.
Wir Lehrerinnen und Lehrer sollten uns viel mehr Gedanken darum machen, mit welcher Haltung wir unseren Schülerinnen und Schülern begegnen.
Beim Hören reflektiere ich mich und mein Verhalten als Lehrkraft und merke, wie sehr der Stress und die Herausforderungen im Schulalltag eine reflektierende und positive Haltung oftmals überlagern.
Mir kommen Situationen aus dem vergangenen Schuljahr in den Sinn, in denen ich meinen SchülerInnen gegenüber eine andere Haltung hätte entgegenbringen müssen.
Eine Situation, in der mir ein Schüler sagte, dass er am Ausflug wegen einer anderen schulischen Veranstaltung nicht teilnehmen würde – eine Woche vor dem Ausflug, als alles schon geplant und Eintrittskarten schon reserviert waren. Er war der zweite Schüler, der mir an diesem Tag absagte. Letztlich stellte sich heraus, dass die Schüler nichts für die eher späte Absage konnten- dennoch habe ich sehr barsch reagiert. Und warum? Weil in den Tagen zuvor so vieles in der schulischen Planung schief gelaufen war, weil das gesamte Schuljahr so chaotisch lief, weil es an vielen Stellen an einer guten Kommunikation fehlte. Alles Rahmenbedingungen, für die unsere SchülerInnen keine Verantwortung trugen und dennoch hat der Schüler in diesem Moment meinen Frust darüber deutlich zu spüren bekommen.
Wahrscheinlich ist das etwas, was menschlich ist, dennoch möchte solche Situationen in Zukunft vermeiden.
Ich denke außerdem an eine Klasse, mit der es im vergangenen Schuljahr einfach nicht lief. Es war immer unruhig in meinem Unterricht, wir kamen mit dem Stoff nicht annähernd so weit, wie es laut Lehrplan notwendig gewesen wäre. Ständig fehlten Schülerinnen und Schüler, viele Stunden fielen aus….
Und auch hier bin ich oft schon völlig genervt in die Stunden gegangen. Und statt zu reflektieren, was hinter den Störungen lag, habe ich mich vor allem darauf fokussiert, die Stunden irgendwie hinter mich zu bringen. So möchte ich im kommenden Schuljahr nicht weiterarbeiten.
Und letztlich wird mir klar: Trotz allem Ärger über bildungspolitische Entscheidungen, trotz aller Kritik am System, ist meine Haltung die Grundlage für Veränderungen, die allen im Schulsystem zugute kommen.
Über diese Aussage bin ich in den letzten Tagen immer wieder bei Social Media gestolpert. Als ein Teil von Klassenregeln, als Überschrift von einem Buchkapitel oder eben einfach als Thema eines Posts.
Ich finde die Aussage so einfach und einleuchtend, habe mir aber bislang viel zu wenig Gedanken dazu gemacht.
Schülerinnen und Schüler sollen verstehen, dass Fehler ihnen helfen können, einen Sachverhalt besser zu verstehen. Wie aber können sie das, wenn unsere Notensystem Fehler ständig sanktioniert?
Lehrende sollen verstehen, dass sie nicht fehlerfrei sein müssen, dass es gut ist, wenn Lernende merken, dass wir such Fehler machen und wie man konstruktiv mit ihnen umgehen kann. Wie aber können sie das, wenn sie in der Ausbildung das komplette Gegenteil davon beigebracht bekommen und sich kaum Fehler leisten dürfen.
Schulleitungen sollen verstehen, dass sie den Job nur machen können, wenn sie Neues ausprobieren, auch auf die Gefahr hin, dass dabei Fehler passieren und nicht alles so läuft, wie man es sich wünscht. Wie aber können sie das, wenn die Rahmenbedingungen ihnen viel zu wenig Freiräume lassen?
Trotzdem möchte ich mich vom System nicht einschränken lassen
Ich frage mich:
Wie schaffe ich es, dass meine Schülerinnen und Schüler, meine Kolleginnen und Kollegen, ich selbst und auch mein Kind Fehler nicht als etwas Negatives, als etwas Schlimmes wahrnehmen?
Was kann ich tun, damit wir alle keine Angst davor haben, Fehler zu machen?
Ein paar erste Anregungen habe ich bei Social Media gefunden, es sind aber bislang nur Anregungen. So überlege ich mit meiner Klasse, die Aussage, dass Fehler Helfer sind, zu Beginn des Schuljahres zu thematisieren. Danach würde ich sie gerne dauerhaft im Klassenraum platzieren, so dass wir alle immer wieder daran erinnert werden können. Das könnte ein Anfang sein. Was darüberhinaus noch entstehen wird? Ich halte euch hier auf dem Laufenden.
Eine kleine Anmerkung noch am Rande: bei Instagram habe ich Teile dieses Textes als Beitrag gepostet. Erst nach der Veröffentlichung habe ich gemerkt, dass sich im Text ein paar formale Fehler befinden. Ich habe sie ganz bewusst belassen, alles im Sinne einer positiven Fehlerkultur.
Eigentlich ist es nichts Neues: je besser die Beziehung zwischen Lehrperson und Schülerin oder Schüler desto größer die Lernbereitschaft. Wir aber kann ich eine gute Beziehung zu allen meinen Schülerinnen und Schülern aufbauen, wenn die Klassen immer voller sind und ich nach 45 oder maximal 90 Minuten meine Schüler schon wieder verlasse, um im Laufschritt in die nächste Lerngruppe zu hasten?
Darüber mache ich mir nicht erst seit Ferienbeginn Gedanken. Aber gerade in den letzten tagen habe ich gemerkt, wie unzufrieden ich eigentlich bin, dass es mir im vergangenen Schuljahr nicht besser gelungen ist, meine Schülerinnen und Schüler besser kennenzulernen. Es ist doch eigentlich so wichtig, zu wissen, was sie beschäftigt, wie sie leben, welche Probleme sie gerade haben, mit wem sie vielleicht gerade Streit haben, ob sie sich wohlfühlen etc.
Diese Gedanken haben mich dann mal wieder dazu gebracht, darüber nachzudenken, was ich im nächsten Schuljahr anders machen möchte. Wie kann ich es schaffen, die Schülerinnen und Schüler besser kennenzulernen? Ich brauche Freiräume und Gelegenheiten, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Ich muss irgendwie mitbekommen, wenn etwas in der Lerngruppe gerade nicht so gut läuft. Aber wie?
Neben vielen Ideen, die sich in den momentan bestehenden Schulstrukturen umsetzen ließen (ich werde euch berichten, wenn sie etwas konkreter werden), kreisen meine Gedanken aber auch in diesem Zusammenhang immer wieder um größere strukturelle Veränderungen, die aus meiner Sicht auch Effekte auf die Beziehungsstrukturen innerhalb einer Schulgemeinschaft haben könnten.
Veränderungen der Zeitstrukturen
Statt arbeiten im 45-Minuten-Takt brauchen wir das Lernen in größeren Zeitblöcken, in denen sowohl Lehrkräfte als auch Lernende mit Zeit an einem Thema gemeinsam arbeiten können.
Veränderungen der Klassenleiterstrukturen
Statt eine Klassenlehrkraft, die sich im Rahmen des eigenen Fachunterrichts um die Belange von 30 und mehr Schülerinnen und Schüler kümmern soll, brauchen wir Mentorinnen und Mentoren, die die Lernenden in eigens dafür vorgesehenen Zeiten ganzheitlich begleiten können
Veränderungen der räumlichen Strukturen
Statt Schulen, die aus Klassen- und Fachräumen bestehen, brauchen wir
Multifunktionale Lernräume, in denen sich alle am Lernprozess Beteiligten wohlfühlen.
Veränderungen der Jahrgangsstrukturen
Statt einer dauerhaften und stringenten Einteilung der Schülerinnen und Schüler in Jahrgänge brauchen wir (zumindest phasenweise) die Möglichkeit in altersgemischten Gruppen lernen und arbeiten zu können. Schülerinnen und Schüler könnten so viel stärker von- und miteinander lernen.
Ob diese Ideen etwas besser machen? Ich weiß es nicht. Aber wir sollten den Mut haben, es auszuprobieren.
Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen: es muss anders werden, wenn es gut werden soll.